„Wir sehen uns da absolut als langfristiger Partner“

Die bayrische Landespolitik möchte mit vielfältigen Kooperationen die Künstliche Intelligenz in Bayern weiterentwickeln helfen - unter anderem mit dem Bayerischen KI-Rat. Dabei spielt auch die Munich School for Data Science (MUDS) eine entscheidende Rolle. Ein Gespräch mit Fabian Theis, Sprecher der MUDS, und Manfred Wolter vom Bayrischen Wirtschaftsministerium.

Im Februar 2021 wurde von der Bayrischen Staatsregierung der KI-Rat gegründet, der Rat für Künstliche Intelligenz. Herr Theis, Sie sind Co-Vorsitzender dieses Rates. Was wollen Sie mit ihm erreichen?

Fabian Theis: Wie einst das Öl sind heute Daten ein zentraler Rohstoff der Zukunft, und ihr Verbrennungsmotor, so könnte man sagen, ist die Data Science. Zentral ist dabei zurzeit Machine Learning – ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz, das in den vergangenen Jahren enorme wissenschaftliche Fortschritte und ökonomische Dynamik ermöglicht hat. Künstliche Intelligenz gehört zweifellos zu den Stärken des Standortes Bayern. In München sitzen viele Unternehmen, die sich mit Machine Learning beschäftigen, in der Stadt gibt es zwei der Spitzen-Unis mit starken Informatikfakultäten und die der Technischen Universität München (TUM) ist eine der größten der Welt. Wir sind überzeugt, dass es deshalb umso wichtiger für den Standort ist, einerseits nach außen gemeinsam stark aufzutreten und andererseits Hochschulen, außeruniversitäre Forschung und Industrie in einem Netzwerk zu verknüpfen. Unsere Mission: die KI in verschiedene Bereiche zu tragen. Um das voranzubringen, haben wir den KI-Rat gegründet. Wir wollen ein klares Außenbild kommunizieren, auch gegenüber der Politik.

Herr Wolter, Sie sind Abteilungsleiter Innovations- und Technologiepolitik im Bayerischen Wirtschaftsministerium. Was erwarten Sie vom KI-Rat?

Manfred Wolter: Der KI-Rat bringt 21 Personen aus unterschiedlichen Themenbereichen, Forschungseinrichtung und Regionen in Bayern zusammen. Als Ministerium erhoffen wir uns zunächst, dass der KI-Rat Empfehlungen für die weitere Entwicklung und Förderung der KI in Bayern gibt. Darüber hinaus ist es natürlich auch so, dass diese gebündelte Kompetenz dem Thema und den Institutionen mehr Sichtbarkeit und einen höheren Stellenwert in der öffentlichen Diskussion verschafft.

Was können Sie als Ministerium tun, um dieses Anliegen zu unterstützen?

Wolter: Nun, das Bayerische Wissenschaftsministerium und wir sind jene, die umsetzen müssen: Lehrstühle einrichten, Institute gründen, Fördermittel zur Verfügung stellen. Das wollen wir möglichst effizient tun. Dafür brauchen wir den Rat eines kompetenten Gremiums. Welche Themenfelder drängen am meisten, wo sollen wir schwerpunktmäßig investieren und fördern? Die Themen der KI sind ja unglaublich breit.

Herr Theis, welche Themenfelder sind das aus Ihrer Sicht?

Theis: Da muss ich natürlich immer aufpassen, weil ich ja meine eigene Forschung habe und für KI in biomedizinischer Forschung brenne. Tatsächlich denke ich, dass dieses Feld sehr wichtig ist, weil die Zukunft der Medizin zweifellos datenbasiert sein wird. Gesundheitsdaten sind sehr komplex und heterogen – Big Data –, das ist Herausforderung und Chance für die Methodenentwicklung. Denn im Vergleich zur Physik etwa gibt es in der Medizin keine Gleichungen, um Modelle bauen und Vorhersagen treffen zu können.

Und darüber hinaus?

Theis:  Wir haben im KI-Rat eine Reihe von Punkten herausgearbeitet. Vor allem an der Schnittstelle zu Anwendungen sorgt KI derzeit für Revolutionen. Zum Beispiel in den Ingenieurwissenschaften, in der Industrie, der Gesundheitsforschung oder der Biotechnologie.

Wolter: Strategisch fokussieren wir uns nun auf die Schwerpunktfelder Gesundheit, Mobilität, Produktion, Robotik, Industrie. Diese Anwendungsgebiete sind für Bayern von zentraler Bedeutung. Daneben gibt es noch weitere wichtige Anwendungsfelder wie den Energiebereich, aber diese sind für Bayern von zentraler Bedeutung. Jetzt müssen wir gemeinsam über Maßnahmen nachdenken. Derzeit bauen wir eine KI-Agentur auf, die den KI-Rat operativ unterstützt. Rat, Agentur und Ministerium arbeiten dann eng mit den Ministerien zusammen, so dass am Schluss genau die Mittel bereitgestellt werden, die Wissenschaft und Unternehmen brauchen.

Bayrischer KI-Rat

Bayrischer KI-Rat

Der Bayerische KI-Rat wurde Ende 2020 von der Bayerischen Staatsregierung ins Leben gerufen. Ihm gehören 21 Vertreter Bayerischer Hochschulen, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft an. Weitere „Global Members“ sollen folgen. Der KI-Rat soll die Entwicklung Künstlicher Intelligenz in Bayern vorantreiben. 

 

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Der Bayerische KI-Rat konstituiert sich: 21 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft gehören ihm an. (Foto: Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst 2020.)

Der Freistaat will im Rahmen der Technologieoffensive Hightech Agenda Bayern über 100 neue KI-Professuren an seinen Hochschulen einrichten, mit 200 Millionen Euro fördert das Wissenschaftsministerium Forschung und KI-Kooperationsprojekte.  

Theis: Ja, das ist ein hervorragendes Programm der Staatsregierung. Besonders gefällt mir, dass sich Universitäten und Hochschulen aus ganz Bayern für die Hälfte dieser Professuren bewerben konnten, über einen Bottom-up-Wettbewerb werden sie nun besetzt. Dadurch ist eine große Vielfalt von Themen zusammengekommen. Wir vom KI-Rat bemühen uns zurzeit, die neuen Lehrstuhlinhaber inhaltlich zu vernetzen und zum Austausch von Methoden anzuregen.

Um KI in so einem Rahmen entwickeln zu können, braucht es die Ausbildung von erstklassigem Nachwuchs. Welche Rolle kann eine Institution wie die Munich School for Data Science (MUDS) dabei spielen, Herr Wolter?

Wolter: Um Spitzennachwuchs auszubilden, braucht man ein Format, das Leute auf höchstem Niveau qualifiziert und ihnen danach Topchancen in Aussicht stellt. Die MUDS als Graduiertenschule ist ein Beschleuniger, der hervorragenden Leute innerhalb von vier Jahren einen ungeheuren Schub gibt.

Theis: Unsere Doktoranden sind für unsere Forschung der essentielle Innovationsmotor. Bei der MUDS setzen wir statt der Einzelbetreuung durch einen Professor auf eine Tandembetreuung an der Schnittstelle von Methodenentwicklung und Domänenwissenschaften. Das hat uns international sichtbar, attraktiv und wettbewerbsfähig gemacht. Wir haben derzeit 77 Doktoranden, 45 Prozent davon kommen aus dem Ausland, etwa ein Drittel sind Frauen.

Welche Bedeutung hat diese internationale Profilierung für den Standort Bayern, Herr Wolter?

Wolter: Spitzenforschung kann heute nur mit einer internationalen Ausrichtung gelingen. Dabei ist uns neben den Doktoranden auch die Internationalisierung der Studierenden natürlich extrem wichtig. Deshalb haben wir mit den seit 2020 entstehenden über 100 Lehrstühlen auch etwa 13.000 Studienplätze geschaffen, um möglichst viele junge Menschen anzuziehen. Wir möchten so die Rahmenbedingungen im Bereich der KI-Forschung nicht nur qualitativ verbessern, sondern auch in die Breite tragen. Nur so werden wir ausreichend akademischen Nachwuchs für Wissenschaft und Unternehmen gewinnen können.

Die MUDS setzt stark auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, es gibt inzwischen auch einige MUDS-Doktoranden, die in Partner-Unternehmen promovieren. Herr Wolter, Sie kennen sich gut aus in der Wirtschaft, sitzen zum Beispiel im Aufsichtsrat von ISAR BIOScience. Worauf kommt es an, damit so eine Zusammenarbeit gelingt?

Wolter: Das A und O ist die Vernetzung, man muss sich näher kennenlernen – von den beiden Münchener Exzellenz-Universitäten über die außeruniversitären Partner wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt bis zu den Unternehmen.

Theis: Für Unternehmen wie Wissenschaft ist es ein großer Vorteil, sich gemeinsam um Nachwuchs zu bemühen. Auch wenn ein bekannter Lehrstuhl eine Doktorandenstelle für Data Science ausschreibt, entfaltet das natürlich nicht dieselbe Sogwirkung wie wenn der gesamte Standort München dahintersteht. Wie sehr sich die Arbeit mit den Doktoranden für die Industrie lohnt, zeigt sich jetzt schon: Es gibt bereits die erste Lizenz für eine Software, die während einer Promotion entstanden ist.

Viele Doktoranden bleiben nach dem Abschluss nicht in der Wissenschaft, sondern wechseln in die Wirtschaft. Ist das aus Ihrer Sicht ein Nachteil?

Theis: Nein, denn eines unserer zentralen großen Ziele ist Mitarbeiterentwicklung – unsere Absolventen sollen arbeiten, wo es ihnen Spaß macht. Und schließlich arbeiten Wissenschaft und Unternehmen zunehmend enger zusammen, die Trennlinie löst sich immer mehr auf. Wenn etwa eine Doktorandin in einem großen Pharmaunternehmen arbeitet und bei uns ihre Doktorarbeit publiziert, schafft das wissenschaftlichen Fortschritt mit praktischer Wirkung und erweitert das Netzwerk. Wir erleben, dass Firmen zunehmendes Interesse zeigen, auch wissenschaftliche Fragestellungen weiterzuverfolgen. Daher müssen sich die Leute lange nicht entscheiden zwischen Unternehmen und Wissenschaft – es geht beides.

Wolter: Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums ist es natürlich immer ein Gewinn, wenn gute Leute in die Unternehmen gehen. Ihre Kompetenzen halten uns wettbewerbsfähig und schaffen Arbeitsplätze. Allerdings muss es eine Balance geben, auch der Wissenschaftsstandort braucht talentierte Absolventen. Zum Glück können wir ihnen in Bayern eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven bieten, von Wirtschaftsunternehmen über Forschungseinrichtungen bis zu Start-ups.

Theis: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die strukturierte Kooperation mit Start-ups sollten wir noch ausbauen. Institutionen wie das MIT sind uns da noch weit voraus.

Herr Wolter, Sie vertreten den Freistaat Bayern im Ausschuss der Zuwendungsgeber der Helmholtz-Gemeinschaft, entscheiden also mit über Verteilung der Mittel. Warum unterstützen Sie die MUDS?

Wolter: Das Programm ist ein faszinierendes Instrument, um jungen Spitzenwissenschaftlern eine Chance zu geben und den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zu stärken. Und es ist beeindruckend, wie es sich in enorm kurzer Zeit entwickelt hat. Ich habe keine Hemmungen, in so ein Projekt Geld zu investieren, das ist sehr gut angelegt. So ein Projekt kann man sich im Ministerium einfach nur wünschen. Wir sehen uns da absolut als langfristiger Partner.

 

Interview: Anja Dilk

Alternativ-Text

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